Eine internationale Hofkunst
Eines der faszinierendsten Kapitel in der Geschichte der Kleinbronze ist die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts und der Anfang des 17. Jahrhunderts, als der Stil eines einzelnen in wachsendem Umfang die Bildhauerkunst ganz Europas beherrschte und eine Mode schuf, an der alle Fürstenhöfe von Spanien bin Skandinavien begierig teilnahmen. Selbstverständlich war die Bronzestatuette nicht das einzige Medium, durch das sich diese Strömung vorbereitete. Aber ohne die bruchfesten, leicht transportablen und relativ billigen Erzeugnisse der Kleinkunst hätte sich der neue Stil nicht so leicht ausbreiten können. Von nun an spielt die technische Geschicklichkeit eine hervorragende Rolle. Die Bronzegießer vermochten jetzt mit einer gewissen Sicherheit qualitativ gute Verkleinerungen von Großplastiken herzustellen, und ein Künstler, der solche Handwerker beschäftigte, konnte kleine Reproduktionen seiner Skulpturen auf sozusagen industrieller Basis machen lassen, ohne damit in irgendeiner Weise den hohen Standard seiner Werke zu gefährden.
Giovanni Bologna war es vor allem, der sich der Vorteile dieser neuen Möglichkeiten bediente. 1524 in Douai bei Boulogne geboren, zog er nach ein paar Studienjahren in Rom wieder nordwärts über Florenz, wo er von einer Gruppe gelehrter Kenner festgehalten und am Hof der Medici eingeführt wurde. Es war die Zeit der Regierung Großherzog Francecos der Erste, dessen Studierzimmer einen Höhepunkt des Zeitgeschmacks dargestellt, wie er uns von Bandinelli schon geläufig ist. Dieser Raum hat seine Atmosphäre mit einer fast bedrückenden Intensität bewahrt: Die geschlossenen Türen unterscheiden sich nicht von den mit Gemälden bedeckten Schranktüren und man ist in dem kleinen, fensterlosen Raum wie eingesperrt. Es ist ein Raum, in dem die Kunst nicht das Leben widerspiegelt, sondern das Leben, aller Wirklichkeit entrückt, sich reiner Kunstbetrachtung hinzugeben verlangt. Die grauen Marmornischen von Francescos Zimmer enthielten Originalbronzen der führenden Künstler, die – als Thema der gesamten künstlerischen Ausstattung – die vier Elemente darstellten.
Trotz völlig harmonischer Gesamtwirkung haben die beteiligten künstlerischen Vorstellungen. Die Juno des Giovanni Bandini verkörpert die Ideale seines Lehrers Bandinelli. Ihre aufrechte Haltung wird durch das schmale Tuch über Hüfte und Schulter, die klare Abgrenzung der einzelnen Körperteile voneinander und die einfache Frontalität betont, ihr Kopf ist in reiner Profilansicht gegeben. Als Königin der Götter und Beherrscherin der Winde ist sie von überzeugender Herrscherwürde. Eine ganz andere Auffassung des weiblichen Akts zeigt Vincenzo Danti in seiner Venus. Als Nischenfigur ist auch frontal gestellt, ihr Kopf im Profil gegeben, jedoch sind alle Geraden vermieden, und der Körper biegt sich in sanfter Kurve. Durch das anmutig gebeugte Knie ist die strenge Frontalität aufgelockert. Auch das Haar wiederholt die gerundete Linie und die rechte Hand hängt in eleganter Beziehung zum Körper locker herunter. So scheint sie still durch das Wasser zu treiben, das sie personifiziert.
Ein noch stärkerer Gegensatz ist der laute Vulcan von Vincenzo de´ Rossi. Rossis Vorliebe für unruhiges Detail zeigt sich in den muskulösen Armen und fast karikierten Einzelheiten seiner Bronze, welche Haltung des marmornen Herkules wiederholt, den er 1568 für denselben Palast schuf. Nichts könnte diesem ungefügten Vulcan ferner stehen als Apollo, die Personifikation des Feuers, ein Werk Giovanni Bolognas aus der Zeit zwischen 1773 und 1775. Er ist ein Musterbeispiel sinnlicher Grazie und Eleganz und seine zarten Formen sehen schon fast weiblich aus, solange man sie nicht neben die noch weicher modellierten Formen der Astronomie stellt, die spiegelbildlich die gleiche Haltung zeigt. Apollos Harr ist mit äußerster Feinheit ziseliert, es lockt sich in natürlicher Lebendigkeit und die gesamte Oberfläche zeigt jene reinliche Straffheit, die für Giambolognas eigenhändige Bronzen typisch ist.
In Giovanni Bolognas Stil vereinigt sich die durch Parmigiano eingeführte Mode der überlangen Proportionen mit der kalten Passivität, die für den späteren Florentiner Manierismus bezeichnend ist, und dem Streben nach mächtiger Bewegung, die der Künstler bei seinem viel bewunderten Michelangelo fand. Diese Elemente erscheinen in einer Reihe von Werken und gehen bis zu einem Punkt, wo Vollendung an Affektiertheit grenzt.
Parallel mit dem Interesse der Künstler für die neue Formensprache gingen kunsttheoretische Forderungen nach einer Skulpturenkunst, die gleichzeitig harmonisch und unter jedem Blickpunkt interessant sein sollte. Gerade die Kleinbronze war in idealer Weise für solche Experimente geeignet. Giambologna benutzte das Thema des Raubs der Sabinerinnen zu dieser Stilübung, zumal es die fesselnde Aufgabe bot, zwei Figuren formal zu verunreinigen. In seinem Schreiben vom 13. Juni 1579, in dem er Ottavio Farnese, dem Herzog von Parma, mitteilte, die Gruppe sei vollendet, zeigt er sich dem Gegenstand gegenüber völlig indifferent: „Die beiden vorgenannten Figuren, welche den Raub der Helena oder vielleicht auch der Prosperina oder einer Sabinerin vorstellen können, habe ich gewählt, um eine Gelegenheit zur Erkenntnis und zum Studium der Kunst zu haben. „ Erst später, als er die Gruppe in Marmor wiederholte und als dritte Figur einen alten Mann hinzufügte, entschied sich sein Freund Borghini für die heutige Bezeichnung Raub der Sabinerinnen und der Künstler fügte das erklärende Relief an der Basis hinzu.
Im gleichen Brief betont Giambologna ausdrücklich, er habe die Bronze selbst ziseliert, um zu verhindern, dass unerfahrene Bearbeitung ihr Schaden zufügte. Man kann daraus schließen, dass solche Arbeiten sonst von Gehilfen ausgeführt wurden und dies wird durch die interessanten Briefe des herzoglichen Kommissionärs Simone Fortuna an seinen Herrn, den Herzog von Urbino, bestätigt. Der Herzog wünschte dringend zwei Marmorstatuetten von Giovanni Bologna für sein Studierzimmer zu erwerben und Fortuna wendet alle Überredungskünste an, um ihn davon zu überzeugen, dass Bronze viel geeigneter sei. Er versicherte ihm, dass sämtlich hohen Standespersonen Bronzen hätten, der König von Spanien, der Papst, Kardinal Ferdinando, die Großherzogin und der Großherzog. Er macht geltend, dass bei kleinen Formaten in Bronze die Muskelpartien besser zur Geltung kämen als bei Marmor und dass Bronze beim Transport viel weniger der Bruchgefahr ausgesetzt sei. Sein Hauptargument ist jedoch, dass Giambologna zu sehr in Anspruch genommen sei, um auch noch Aufträge in Marmor zu übernehmen. Nicht alle Werke, die Giovanni Bolognas zugeschrieben werden, waren eigenhändig. Fortuna schreibt, dass die Mitarbeite der Gehilfen gleich nach den Wachsmodellen des Meisters begann, so dass die meisten Bronzen in Florentiner Privatbesitz von einem der drei oder vier Gehilfen seien. An erster Stelle wirkte Antonio Susini. Er ließ Verzeichnisse der Bronzen, die er nach Modellen des Meisters gegossen hatte, unter den Interessenten zirkulieren. Er scheint ein sonderbarer Mann von fast pathologischer Geldgier gewesen zu sein. Seine Bronzen pflegte er in einem verschlossenen Schrank aufzubewahren, um sie einzeln den Besuchern zu zeigen. Ein Besuch bei Susini gehörte in dieser Zeit zur offiziellen Tour eines Florentiner Aufenthalts. Vielleicht hängt es mit Giambolognas nördlicher Herkunft zusammen, dass sich seine Werke außerhalb Italiens und besonders in den Niederlanden großer Beliebtheit erfreuten. Auf Gemälden von Kunstkabinetten, die auf Flamen spezialisiert sind, sind zahlreiche seiner Bronzen dargestellt. Während einige dieser Bilder damals bekannte Sammlungen wiederzugeben, mögen andere – wie das Gemälde von Jan Breugel, das Venus und Cupido in einem solchen Kunstkabinett zeigt – nur Allegorien des Gesichtssinns sein. Folgende Bronzen sind hier zu erkennen: Der Raub der Sabinerinnen, Nessus und Dejanira, Löwe ein Pferd angreifend, Löwe einen Bullen angreifend, Herkules und Nessus. Sie kommen sämtlich im Verzeichnis Susinis vor.
Der Niedergang
Der Beginn des 17. Jahrhunderts brachte grundlegende Veränderungen im Erscheinungsbild der Kleinbronze und in den Jahrhunderten danach ging es mit der Bronzekunst steil bergab. Allein, wenn sie auch als unabhängige Kunstform ihre Bedeutung verlor, so entstanden doch noch Werke von außergewöhnlicher Schönheit.
Die Gründe für diesen Niedergang waren mannigfaltig. Schon die Hinwendung zur Massenfertigung in der Werkstatt Giovanni Bolognas bedeutete den ersten Schritt in dieser Richtung. Die unmittelbare Folge war die Abwertung der Handwerkskunst. Wenn auch die Massenfabrikation zur Vervollkommnung der Gusstechnik führte, brachte sie doch gleichzeitig die Trennung zwischen dem Künstler, der das Wachsmodell schuf und dem Handwerker, der den Guss ausführte. Der Bronzegießer wurde hierbei lediglich zu einer dienenden Figur, da er oft nicht einmal das Werk signierte, und das Kunstwerk änderte dadurch unvermeidlich seinen Charakter. Da der Künstler den Guss meist auch die Bearbeitung aus der Hand gab, zeigte er kein Interesse mehr für die besonderen Ausdrucksmöglichkeiten der Statuette, sondern schuf Modelle, die sich bequem vervielfältigen ließen. Allzu oft ließen Bildhauer und Gießer jedes Gefühl für Größenordnung vermissen, Der Bildhauer freute sich, seine Monumentalwerke in kleinen, leichtverkäuflichen Nachbildungen wiederholt zu sehen und der Handwerker war ganz stolz auf seine Geschicklichkeit, in stark verkleinerten Maßstab verkleinertem Maßstab Details wiederzugeben, die eigentlich für überlebensgroße Originale gedacht waren. Diese Einstellung wurde noch verstärkt durch die herrschende Theorie von der Wichtigkeit der „Erfindung“. Danach lag das Genie des Künstlers im Wesentlichen in der Konzeption einer Idee und weniger ihrer Ausführung. Diese Kunsttheorie geht auf die althergebrachte Unterscheidung zwischen freien und angewandten Künsten und den Kampf der Maler und Bildhauer um Anerkennung ging gerade auf Kosten der Qualitäten, die jede Kleinbronze zu einer reizvollen und originellen Schöpfung gemacht hatten.
Im Rahmen dieses negativen Gesamtbildes gab es natürlich Ausnahmen – Statuetten, die zu den schönsten der Bronzekunst überhaupt gehören. Der Schöpfer mehrerer solcher reizvoller Stücke war der Flame Francois Duquesnoy, der in Italien arbeitete. Zwei ausgezeichnete Statuen stammen von einer Hand, und er war weltbekannt durch seine kleinformatigen Werke, besonders durch die Statuetten von Kleinkindern. Seine Modelle aus Terrakotta waren außerordentlich gesucht und wenn er auch wohl keine Statuetten selbst gegossen hat, spiegeln sie doch aufs beste sein Verständnis für die weichen, rundlichen Formen eines Kleinkindes und für den Reiz der kindlichen Bewegungen. Seine Modelle waren so berühmt, dass der Maler Albani, der selbst ein guter Darsteller von Kleinkindern war, sie in seinem Atelier hängen hatte und sich nicht weniger als sechsundzwanzig Kindermodelle Duquesnoys in der Sammlung des französischen Bildhauers Girardon befanden. In allem möglichen Material, wie Elfenbein, schwarzen Wedgwood und späteren Gipsabgüssen, sind die reproduziert worden. Solch ein kleiner Putto befestigt, in einer anderen Statuette von Duquesnoys, die Schwingen an Merkurs Füßen.
In Florenz schuf um 1600 der Maler Lodovico Cardi, genannt Cigoli, eine anatomische Figur, die so berühmt wurde, dass schon zu seinen Lebzeiten zahlreiche Abgüsse davon in Gips und Wachs im Umlauf waren und wenig später auch Bronzeabgüsse entstanden.
Die Werkstatt Giovanni Bolognas in Borgo Pinti wurde nach seinem Tod nicht geschlossen, denn der Florentiner Hof brauchte weiterhin Kleinbronzen für Staatsgeschenke. Cosimo der Dritte war so interessiert an dem Fortbestand der Gießhütte, dass er 1682 einen Hofbeamten durch die westeuropäischen Länder reisen ließ, um deren Metallbearbeitungstechniken zu studieren. Es ging ihm nicht nur um Waffen- und Befestigungskunst, sondern auch um den Skulpturenguss. Nach Ferdinado Taccas Tod im Jahre 1587 übernahm Giovanni Battista Foggini das Haus am Borgo Pinti und versorgte nun die Herzöge von Toskana mit Bronzen. So war die Gruppe des Apollo und Marsyas, die Cosimo seinem Schwiegersohn Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Kurfürst von Düsseldorf, zum Geschenk machte, Fogginis Werk. Es wurde von Cosimo in politischer Absicht verschenkt, um die Stellung Toskanas in der kriegerischen Welt seiner Zeit zu festigen. Das gleiche Modell erhielt 1716 der französische Portraitmaler Hyacinthe Rigaud als Gegengabe für ein Selbstportrait, das er dem Großherzog für sein Kunstkabinett geschenkt hatte. Die Statuette eignete sich für eine halboffizielle diplomatische Rolle besonders gut. Sie ist schön gearbeitet, aber es fehlt ihr gänzlich der Reiz des Intimen. Das liegt nicht einfach an ihrer Größe (sie ist 60 cm hoch), sondern an der Komposition. Die Gruppe besitzt nichts von der Dichte, die Riccio durch sein angeborenes Verständnis für sein angeborenes Verständnis für das Material erzielte und in der sich Giambolognas Geschicklichkeit offenbarte. Diese Bronze wirkt in die Breite, sie beherrscht den Raum rundum und verlangt eigentlich die Übertragung in eine Monumentalstatue.
Einen ähnlichen Eindruck macht der Neptun des Michel Anguir, wahrscheinlich aus einer Gruppe von sechs Göttern und Göttinnen, die 1652 für den Juwelier und Sammler Montarsis gegossen wurden. Die meisten davon wurden später für den Park von Versailles in Stein gehauen. Der Neptun scheint jedoch nicht vergrößert worden zu sein, obwohl Desplaces ihn in seinem Kupferstich vor einem Hintergrund von Meer und Felsen so dargestellt hat. Selbst in dieser monumentalen Form erscheint die Wirkung der Plastik auf die Grenzen ihrer viereckigen Standfläche beschränkt. Trotz ihrer Bewegungsakzente nach den Seiten und Ecken steht sie im Gegensatz zu der auswärts gerichteten Bewegung einer vollbarocken Plastik, ist jedoch typisch für den mehr zurückhaltenden französischen Geschmack. Diesen Kleinskulpturen im Monumentalstil steht die in Kleinformat produzierte Großplastik gegenüber. Eine solche Bronze befindet sich in der Sammlung von Sommier. Sie gibt die fast acht Meter hohe Statue wieder, die Girardon für die Place Vendome modelliert und Balthasar Keller in einem Stück gegossen hat. Girardon selbst machte mindestens eine verkleinerte Version davon, nach der offenbar die meisten erhaltenen Kleinbronzen gegossen sind.
Derartige Verkleinerungen ohne mechanische Hilfen und in ganz verschiedenen Maßstäben führten zwangsläufig zu verschiedenartigen Ergebnissen und ihr Erfolg hing von der vereinten Geschicklichkeit des Bildhauers, Gießers und Goldschmieds ab. Ähnliche Fähigkeiten erwartete man auch von den Künstlern, welche ständige Nachfrage nach antiken Kopien befriedigten. Man wollte weder Bronzeabgüsse in natürlicher Größe, noch kostspielige Marmorkopien, für deren Aufstellung man geräumige Galerien brauchte. Man wünschte Kleinbronzen, die sich auf den Kamin stellen ließen und für die klassische Bildung ihres Besitzers zeugten oder an den Grand Tour erinnerten. Im Jahre 1496 hatte Antico eine Replik des Marc Aurel für Gian Francesco Gonzage hergestellt. Im frühen 17. Jahrhundert goss Franz Aspruck eine weitere Replik für den Wiener Hof und 1763 schenkte Papst Clemens der Achte dem Kurfürsten von Sachsen in Dresden eine Version derselben Antike, die hier mit dem Marc Aurel Filaretes von 1465 vereint werden konnte. Die Version von 1763 war von Giacomo Zoffoli, einem der römischen Künstler, signiert, die als Gold- und Silberschmiede ausgebildet waren und neben dem Guss die Reinigung, Ziselierung und Patinierung oder Vergoldung der Bronzen ausführte. Man weiß zum Beispiel, dass Zoffoli 1773 Vincenzo Paccetti den Auftrag gab, ein kleines Modell der Flora Farnese zum Preis von vier Zechinen für ihn zu machen. Nach Zoffolis Tod im Jahre 1785 wurde die Werkstatt von seinem Bruder Giovanni übernommen, der um 1795 ein Verzeichnis der Bronzen herausgab. Darin wird die Flora Farnese für achtzehn Zechinen angeboten.
Verkleinerte Wiedergaben antiker Bronzen waren oft vergoldet oder teilvergoldet, und erst mit dem Neoklassizismus des späten achtzehnten Jahrhunderts kam die zurückhaltende, dunkel getönte Bronze wieder zur Geltung. In der Mitte des Jahrhunderts war der Geschmack mehr auf Helligkeit und Glanz gerichtet und man vergoldete fast alles. Von welcher künstlerischen Vollendung solche vergoldeten Statuetten sein konnten, zeigt der Christus an der Martersäule mit der Signatur des österreichischen Künstlers Hagenauer und der Jahreszahl 1756. Die Vergoldung spielt in der Gesamtkonzeption dieser Arbeit eine wichtige Rolle. Formal gesehen erhöht das über die Oberfläche gleitende Licht den Fluss der Modellierung und indem es in strahlender Glorie von der eckigen, gebrochenen Gestalt reflektiert wird, verleiht es dieser eine immense Wirkung. Das goldene Haupt des Erlösers aber gibt dem leidende Körper, dessen Füße vergebens einen Halt auf dieser Erde suchen, ein unnachahmliches Pathos.
Solche Meisterwerke waren allerdings selten in einer Zeit, da die Kunst der Kleinbronze ihren tiefsten Stand erreichte. Der dekorative Stil des Rokoko verlangte nach Licht und Farbe und erfand Ornamente aus Porzellan, die in Weiß oder heiterer Glasur schimmerten. Auch für die Bronze entdeckte man neue Verwendungsmöglichkeiten in der angewandten Kunst. Vergoldet erschien die als Marketerie auf kostbaren Möbeln beliebt. André Charles Boulle schmückte sie mit einem Furnier, in das Messing und Schildplatt eingelegt war, sowie mit figürlichen Relief und Masken aus Goldbronze und der Bildhauer Demenico Cucci verfertigte die Bronzebeschläge für die zeitgenössischen Gobelinmöbel. In der Periode der Régence waren die erlesenen Kunstschreiberarbeiten eines Cressent oft mit einem Netzwerk aus Goldbronze überzogen. Später zog Reissener für die Bronzedekoration seiner Möbel wahrscheinlich Gouthiére heran, und für Beneman war Thomire tätig.
Es waren Handwerker, die oft nach fremden Entwürfen arbeiteten und wie die Kunstschreiner waren sie in Gilden organisiert. In Paris gab es zwei locher Gilden, die sich dann 1776 vereinigten: die Fondeurs-ciseleurs, die für ziselierte und gefirnisste Arbeiten zuständig waren – eine billige, in Frankreich vielfach übliche Methode der Bronzebearbeitung - , und die Ciseleurs-doreurs, welche die weit kostspieligere Feuervergoldung herstellten. Die Oberfläche der Bronze wurde in diesem Fall mit Säure mattiert und dann gebrannt, bis sie wie echtes Gold glänzte. Nur wenige dieser Handwerker haben ihre Arbeiten signiert, machten jedoch das französische Ormolu des 18. Jahrhunderts zu einem in aller Welt begehrten Sammlergegenstand.
Typisch für das Rokoko ist Meissoniers graphischer Entwurf eines Leuchters. Mit dem Erscheinungsjahr 1728 kann er den Ruhm der ersten Schöpfung im Rokokostil für sich in Anspruch nehmen, es ist ein Meisterwerk subtiler rhythmischer Gliederung und bewegter Raumharmonie. Meissonier selbst scheint nicht in Metall gearbeitet zu haben, aber sein Entwurf hat einen anonymen Bronzegießer angeregt, ein Paar silbervergoldeter Leuchter zu machen, die sich heute in der Wallace Collection befinden. Solche Kupferstiche verbreiteten sich schneller über Europa als die Werke selbst, und Meissoniers extremes Schulbeispiel des Rokokostils fand außerhalb Frankreichs weit mehr Nachamer als hier. Die Schlösser des Bayerischen Hofs waren höchst phantasievollen Rokokodekorationen erfüllt. Willem de Groff hatte schon vor dem berühmten Cuvilliés einige dieser Stilelemente nach München mitgebracht, die dann im leichtbeschwingten Régencestil Frankreichs ihrer Hochblüte erlebten.
Das schönste dieser Art sind Werke wie die Kaminböcke signiert „Caffiéri 1752“, die für Saint-Cloud angefertigt wurden und sich jetzt in Cleveland befinden. Jacques Caffiéri entstammt einer Familie von Bildhauern, sein Vater hatte schon an den Bronzeornamenten der Spiegelgalerie von Versailles mitgearbeitet, und er selbst war der führende „Ormolu“- Künstler seiner Zeit. Hund und Eber fauchen einander an, Mähnen und Felle sind von getriebener Arbeit und fangen das Flackern des Kaminfeuers ein, um es in tanzendem Spiel widerzuspiegeln. Das gleiche Jagdmotiv benutze Pitoin, ein von Ludwig dem Sechszehnten sehr geschätzter Bronzebildhauer, als er 1772 ein Paar Kaminböcke für Madame Dubarry schuf. Ein Eber und ein vom Jagen erschöpfter Hirsch bilden die jeweilige Bekrönung, und die mattierten Sockelteile sind mit Fruchtgehängen und Tierornamenten dekoriert. Die Komposition ist nun leichter und die Darstellung zarter und von jenem Reichtum an Blumen und Laubwerk, den diese Zeit liebte.
Einer der wenigen unter den Ciseleurs-doreurs mit weltbekanntem Namen war Gouthiére, dem fälschlich lange Zeit auch die Kaminböcke mit Hirsch und Eber zugeschrieben wurden. Hingegen schuf und signierte er nach einem Modell von Boizot das Gehäuse der Uhr, welche die Stadt Avignon ihrem Statthalter Jean Louis Royer de Rochechouart zum Geschenk machte.
Man kann den Arbeitsaufwand für Möbelbronzen, der durch verschiedene Herstellungsprozesse und die Beschäftigung von Spezialisten bedingt war, am besten nach den Kosten einschätzen, die im Jahre 1766 ein Paar Kaminböcke des Salon de la Paix in versailles verursacht hatte. Für Wachs- und Holzmodelle wurden an Bureau Pigal und Boureffe 72 Livres bezahlt, für das Tonmodell des Löwen 192 Livres an Boizot, für ein zum Guss fertiges Gipsmodell des Löwen 26 Livres an Michaud, für den hölzernen Sockel 18 Livres an Pigal, für die Sockelornamentierung in Wachs und Holz 120 Livres an Martin. Die vorbereiteten Modelle wurden von Forestier für eine Summe von 615 Livres gegossen. Die Löwen wurden dann von Thomire für je 144 Livres getrieben. Thomire zusammen mit Coutelle und Boivin ziselierten die dekorativen teile, während Mayer die Lorbeerzweige, Kanonenrohre, Wappenlilien und die Kugeln für die Füße modellierte. Schließlich wurde das Ganze zum Preis von 1078 Livres von Galle vergoldet. Nachdem diese Kaminblöcke während der Revolution verschwunden waren, wurden die kürzlich von einem Privtsammler wiederentdeckt, der sie an das Versailler Schloss schenkte.
Boizot, der die Löwen und das Uhrgehäuse in Avignon entworfen hatte, war ein Bildhauer von Ruf. Auch ein so großer Künstler wie Houdon konnte, ohne sich etwas zu vergeben, in diesem bescheidenen Genre mitarbeiten. So modellierte er die Leuchter mit den entzückenden Putti, welche ein Kanonenrohr hochstemmen. Die Versionen der Wallace Collection sind einem Leuchterpaar nachgebildet, das zu einem prunkvollen Schreibtisch gehörte, auf dem der Sieg der Russen über die Türken von 1741 dargestellt war. Er war eine Idee des Emailleurs A. B. de Mailly. Durch Vermittlung Grimms wurde er 1778 Katharina der Großen geschickt und stand im kaiserlichen Palast zu Tschesme.
Wie schwierig es ist, eine scharfe Grenze zwischen den freien und angewandten Künsten zu ziehen, wird an zwei Bacchantinnen deutlich, die wahrscheinlich von Clodion entworfen sind. Sie gehören zusammen, obgleich die eine nur ein Leuchter und die anderen ein reines Kunstwerk ist. Keine von beiden besitzt den vollen Schmelz der Terrakotten Clodions, jede unmittelbare Wärme des atmenden Fleisches, den nur die formenden Finger auf den bildsamen Ton übertragen vermögen. Der Leuchter zeigt von den beiden Stücken den feineren Glanz der Haut, die zartere Gravur du überhaupt einen lebendigeren Gebrauch von Meißel, Hammer, Feile und Punze.
Die Bacchantinnen sind bereits von dem nüchternen Neoklassizismus beeinflusst, der die dunkle Bronze bevorzugte, die oft schwarz oder dunkelgrün patiniert war und nur wenig Vergoldung zeigte. Dieser Stil ist charakteristisch für den französischen Geschmack während der Zeit der Revolution und des Empire, in der die Möbelmarketerie unlösbar mit dem Namen Philippe Thomire verknüpft war. Seine frühen Arbeiten zeigen die Stil- Eigentümlichkeiten Gouthiéres, wenn sie auch strenger und weniger subtil wie die seines Meisters sind, während sein Stil an dem Leuchtpaar mit den kerzentragenden Jünglingen im Rijkmuseum abzulesen ist. Kühl und modelliert und von lebloser Glätte, fehlt ihnen jede Individualität. Es überrascht dann kaum, zu erfahren, dass Thomire die Anzahl seiner Hilfskräfte mit 211 angab, als er 1807 eine staatliche Unterstützung beantragte und dazu bemerkte, in Friedenszeiten werde er in seiner Fabrik 700 bis 800 Arbeiter beschäftigen.
Nachdem die Vorliebe für Porzellan, das die Bronzestatuetten im achtzehnten Jahrhundert verdrängt hatte, abgeklungen war, erwachte ein neues Interesse für Statuetten. Zunächst fanden Reproduktionen von Werken bekannter Bildhauer in Biskuitporzellan großen Anklang, aber dann blühte die Kleinbronzeherstellung erneut auf, und in Paris übernahm die Führung darin.
Die neuen Bronzen unterscheiden sich dadurch von den bisherigen, dass sie in Sandguss hergestellt wurden. Bei dieser Methode wird das Modell jeweils zur Hälfte in Formsand eingedrückt. Aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt besonders jedoch wegen der hinterschnittenen Teile eines Modells, müssen die meisten Objekte in mehreren Teilen gegossen werden. Das Zusammensetzen dieser Teile und der Gebrauch von Halbformen statt des einen, geschlossenen Gehäuses um das Wachs ergeben raue Nachstellen, die selbst ein geschickter Ziseleur nicht ganz beseitigen kann. Außerdem gibt die Oberfläche einer Sandgussbronze selten die feinen Modellierungen des Originals wieder, die beim Wachsguss exakt herauskommen. Sandguss hat jedoch den Vorteil der größeren Wirtschaftlichkeit, denn da dasselbe Modell mehrfach benutzt werden kann, ist er für die Massenherstellung ideal geeignet.
Überdies änderte sich die bisherige Situation dadurch, dass die Gießer im Jahre 1818 in Paris eine Organisation der „Bronziers“ gründeten und seither den Ton angaben. Oft standen die Bildhauer in ihren Diensten, und der Käufer einer Bronze wusste eher, dass sie von einem Bronzegießer, etwa von Barbedienne stammte, als dass das Modell von Barre war.
Der Erfolg der Silberbronzen des 19. Jahrhunderts hing von zwei technischen Erfindungen ab, dem relativ billigen Sandguss und der Erfindung eines brauchbaren Verkleinerungsapparates durch Collas im Jahre 1839, mit dessen Hilfe man genaue Kopien einer Statue in jedem Maßstab herstellen konnte.
Derartige Bronzen als Industrieprodukte abzutun, heißt, die traditionelle Doppelstellung der Bronzestatuette verkennen. Baudelaires geringschätziger Ausdruck „Kariben des Kaminbocks“ könnte sich sowohl auf Riccio beziehen, der die Sphinx von dem Sockel des Santoleuchters für einen Kaminbock übernahm, als auch die Pariser Bronzegießer des neunzehnten Jahrhunderts, die solche Gruppen für Kandelaber, Tafelaufsätze oder ornamentale Uhrgehäuse benutzten. Pradier stellte in seiner Statuette Betendes Mädchen ein krankes Kind dar, um das Augenblicksinteresse an dem Ausbruch der Cholera in Palermo auszunutzen, und selbst Barye machte Dosen in Form einer Schildkröte, deren Panzer sich als Deckel wegschieben ließ. „Sie würden sich ein Vergnügen daraus machen, selbst die Gräber von St. Denis als Modelle für Zigarettenetuis oder Handschuhkästen zu benutzen“, schrieb Baudelaire und charakterisierte damit die Geschmacklosigkeit mancher Bronzegießer seiner Zeit.
Eine vorzügliche Serienbronze ist auch die Statuette der Queen Victoria, eine zauberhafte Mischung von Würde und Grazie, die der französische Bildhauer Alfred Barre 1837 in England modellierte und Dominic Colnaghi in Bronze goss. Viele dieser Stauetten stellen bekannte Persönlichkeiten der Viktorianischen Periode oder Figuren aus ihren Lieblingsdramen und Romanen dar. Andere Künstler traten in Baryes Fußstapfen und schufen nur Tierstatuetten. Pierre Jules Méne, der in der Mitte des Jahrhunderts wirkte, goss meist auch seine Modelle selbst. Nach seinem Tod wurden sie dann von Susse und Barbedienne nachgegossen.
Die Serienbronzen hatten die unangenehme Eigenschaft, dass die Zahl der Nachgüsse unbegrenzt war. So kamen sie in Hunderten von Kopien auf den Markt und boten umso weniger Anreiz zur Kapitalanlage, je mehr davon hergestellt wurden. Denn höhere Preise waren später, wie es bei Einzelstücken der Fall war, nicht zu erzielen. Andere Gründe des Niedergangs, oft mit wenig Sorgfalt bei der Bearbeitung. Noch skrupellosere Fabrikanten machten ihren Profit, indem sie minderwertige Legierungen nahmen und ungelernte Kräfte bei der Ziselierung beschäftigten. Statt der kostspieligen Bronze wurde billiges Material verwendet, nicht nur der übliche Gips oder Papiermaché, sondern auch Zink, künstliches Elfenbein oder Pressholz und auf Guttaperchaformen galvanisierter Bronzestaub. Im Katalog der Weltausstellung von 1851 liest man, dass durch die Beliebtheit solcher Stoffe echt Bronze selten geworden sei. Wenn sich der Sandguss so gut verkaufte, was sollte man sich da noch mit umständlichen Guss á cire-perdue abgeben, der durch den Verlust der Modellformen kostspielig und nicht konkurrenzfähig war. Nur ein einziger Künstler, Antoine Louis Barye bestand darauf, dass allein diese Herstellungsmethode den lebendigen Ausdruck seiner Skulpturen bewahre.